Rostkehlchen und Teenieschwarm
Grossen Anteil am erfolgreichen Ausklang der Musikfestwochen 2013 hatte dabei der jüngst vom deutschen Musikmagazin «Intro» - in Anlehnung an seine heisere Stimme - liebevoll als «regierendes Rostkehlchen» betitelte Rapper Casper. Bereits der kreischende Aufschrei der zahlreichen Teenager in den vorderen Reihen als er die Bühne betrat, liess erahnen, dass ihn auch in der Schweiz eine grosse Fanschar erwartete.Mit erfrischend entwaffnender Selbstironie amüsierte sich der 30-jährige Deutsche auf der Bühne über die selber «verschuldeten» Gegebenheiten. Zu viel Hype, zu viele Teenies, zu viele Gefühle, «zu alt für diesen Scheiss». Eine witzige Konversation mit einem auf dem Fenstersims einer Altstadtwohnung sitzenden Zaungast endete beispielsweise mit Casper's Androhung, dass er gleich «mit 200 zwölfjährigen Mädchen» dessen Bude stürmen würde.
Abgesehen von etwas gar penetranter Publikumsanimation als einzigem (kleineren) Makel bot der Rapper den Winterthurer Zuschauern von seinem Podest aus einen vielseitigen Rückblick in sein bisheriges Schaffen: ruhige und aufbrausende Songs, mal mit dem Herz in der Hand, mal mit der Leidenschaft im Blut, Hip-Hop-Klassiker von Kanye West, Outkast oder Tyler, The Creator als musikalische Untermalung, aber auch viel Rock, Rock, Rock'n'Roll.
Ein Privileg der ganz besonderen Sorte
Einen exklusiven Ausblick gab es an den Musikfestwochen erfreulicherweise ebenfalls noch, eine Weltpremiere! Anfang August war Casper's grossartige Vorabsingle «Im Ascheregen» des Ende September erscheinenden, dritten Albums «Hinterland» veröffentlicht worden. Kein Wort zu niemandem hatte er bei seinen letzten Festivalauftritten diesen Monat in Deutschland, der Schweiz (Heitere) und Österreich über diesen neuen Song verloren. Beim vorletzten Stopp der aktuellen Tournee in Winterthur sollte sich das nun aber ändern: Zum Auftakt des Zugabenblocks präsentierte er «Im Ascheregen zum allerersten Mal überhaupt live mit seiner Band.An nichts gefehlt
Bereits zu diesem Zeitpunkt: Alles Roger, alles wunderbar. Der Abend war optimal lanciert. Die Sportfreunde Stiller im Anschluss hatten leichtes Spiel, wie man es - passend zur Band - im Fussballjargon ausdrücken würde. Frenetisch wurde der Songkatalog des sympathischen Trios aus München vom Publikum gefeiert. Von «7 Tage, 7 Nächte» über «Ein Kompliment» bis hin zu den aktuellen Hits (die über 15'000 Mal in der Schweiz verkaufte Single «Applaus, Applaus», die ihnen ihre erste Gold-Platte hierzulande bescherte oder «Unter Unten») ihres neusten Albums «New York, Rio, Rosenheim» mangelte es an nichts. Zu mehrheitlich simpel und ähnlich aufgebautem, aber nicht minder mitreissendem Party-Punk wurde in der ganzen Gasse mitgesungen, mitgegrölt und mitgesprungen, als ob man in der Muttenzer-, der Südkurve, dem Espenblock oder wie die Fanecken sonst noch alle heissen, stünde.Ein weiteres Mal erwiesen sich die Sportfreunde Stiller als ideale Festivalband. Noch während ihres schweizexklusiven Freiluftauftritts wurden bereits die nächsten Live-Termine bestätigt: Im Januar 2014 gastieren Peter, Florian und Rüdiger für Clubshows in Basel, Luzern, Bern und Zürich.
Weitere Rekordausgabe
Winterthur ohne Musikfestwochen wäre wie New York ohne Sinatra. Fest in der Bevölkerung verankert und auch von ausserhalb strömen immer mehr Gäste in die Eulachstadt. Kontinuierlich ist die Zuschauerzahl in den vergangenen Jahren angestiegen, die gestern zu Ende gegangene 38. Ausgabe markierte (knapp) einen erneuten Rekordbesuch. Über 55'000 Zuschauer waren während 12 Tagen, 12 Nächten am Festival in der Winterthurer Altstadt unterwegs.Zum ersten Mal kam es dabei während eines Gratiskonzerts zu einem Einlassstop. Am vergangenen Dienstag hatten die Organisatoren beim Auftritt der Mundart-Poeten Stiller Has als «Vorsichtsmassnahme» den Zutritt in die volle Steinberggasse regeln und wartenden Besuchern während einiger Zeit den Eintritt verweigern müssen.
Weil gemäss Mediensprecherin Jane Wakefield die Wiedereinführung eines tiefen Eintrittspreises zur Regulierung des Besucherandrangs für die Gratiskonzerte «kein Thema» ist, soll die Selektion der Bands ihren Teil dazu beitragen, sprich: Um ein weiteres (ungesundes) Wachstum des Festivals zu vermeiden, will man im kostenlosen Programm bewusst auf allzu prominente Gruppen verzichten, so Wakefield im Landboten.