Next big thing?

Weit vom Schiffbruch entfernt - So waren Half Moon Run in Zürich

Half Moon Run gehörten zu den meistgehandelten Indiebands dieses Sommers. Warum sie so hoch einzustufen sind, bewiesen sie am Samstag bei ihrem ersten Schweizer Konzert im Plaza in Zürich.
Half Moon Run bei ihrer Akustikzugabe in Brüssel.
Half Moon Run bei ihrer Akustikzugabe in Brüssel.Photo: Screenshot / Youtube / Christophe Malfroid
Grosser Jubel, Pfiffe und Begeisterung. Gerade haben Half Moon Run den regulären Teil ihres Sets hinter sich gebracht, nun kehren sie für «something different» auf die Bühne im heissen, weil gut gefüllten Plaza in Zürich zurück. Vorne am Rand stehend covern die vier Musiker unverstärkt mit Gitarre und Mundharmonika den Song «Vampire» der ebenfalls kanadischen Band Pink Mountaintops. Mit Klatschen und Stampfen erzeugen sie den Rhythmus. Wie sich das kleine Chorgrüppchen da als Einheit präsentiert, mag so gar nicht zur professionell-distanzierten Arbeitsbeziehung untereinander passen, die die Band so öfters selbst umschrieben hat.

«Next big thing?»

Bereits während der vorherigen Stunde hatten vor allem die beiden in Front des im Quadrat formierten Quartetts aufgestellten Devon Portielje, vor sich hinstrahlender Sänger und Gitarrist, und der langhaarige Conner Molander, Multiinstrumentalist (Keyboard, Gitarre, Mundharmonika) und Backgroundsänger, äusserst positiven Vibe demonstriert, wenn sie für Instrumentalparts den Weg zueinander suchten oder Molander den knienden Portielje nach absolviertem Solo gar rücklings umstiess. Zum Ausklang des bluesigen «Rock'n'Roll Life» war diese witzige Aktion der amüsante Schlusspunkt eines kurzweiligen Konzerts, das zweifellos erklärt hat, warum Half Moon Run seit einigen Monaten einhellig von Fans und Presse mit Lobeshymnen überschüttet und als «next big thing» proklamiert werden.

Herausragend die kratzige Stimme des grinsenden Portielje, die - vor allem wenn sie sich überschlug - unglaubliche Wirkung erzielte und wunderbar in das folkige Kleid passte, das ihr die Band zurechtgeschneidert hatte. Mal schlängelte sich der Gesang über das Pianothema wie beim eröffnenden «Judgement», dann führte er den meist mehrstimmigen Bandchor an, der mitunter die wiederholt aufgekommenen Vergleiche mit den Fleet Foxes bestätigte. Radiohead, die Half Moon Run als wichtige Inspiration bezeichnen, erhielten bei «Give Up» ebenso ihre ohrenscheinliche Referenz.

Und trotz der vielen hörbaren Einflüsse schafften die vier Kanadier zusammen ihren eigenen Sound, beeindruckten mit überzeugend strukturierten Songs und gaben sich zudem selber immer wieder Freiraum für kurze Soli. Wie ein hochangenehmer Schiffausflug inmitten einer schönen hügeligen Landschaft war das, zu dem das Zürcher Publikum an diesem Samstagabend eingeladen wurde. In den ruhigen Phasen wähnte man sich unter sternenklarem Nachthimmel allein im Boot auf weiter Flur treibend, um dann sobald sich die Songs hochgeschaukelt hatten («Full Circle» oder das anregende «Call Me In The Afternoon», wo gleich drei Bandmitglieder den Beat mittrommelten) das wilde Flusstal hinunterzugleiten.

Ein packendes Erlebnis, das angesichts des entstandenen Strudels, dessen Sog Half Moon Run mit ihren gelungenen Shows immer weiter verstärken, eigentlich bald seinen Weg vom beschaulichen Fluss in den breiten Strom finden müsste.

Spannender Support

Den stimmigen Konzertabend rundeten die australischen Lowlakes als Vorgruppe ab. Die Handvoll Songs, die das Quintett performte, waren spannend aufgebaut und warteten mit ambitionierten Arrangements auf. Da erfolgte beispielsweise die rhythmische Begleitung zunächst zu zweit mit Paukenschlägeln und einer Trommel, ehe später noch eine E-Drum und Drumpads zum Einsatz hinzukamen. Ruhig kreiste die Band in Dream-Popgefilden. Mal stand ein tröpfelnder Gitarrenlauf im Vordergrund, mal der Bass, ansonsten dominierte der Gesang von Tom Snowdon, einem Bariton-Mix aus Dougy Mandagi (The Temper Trap) und Antony Hegarty. Im kommenden Februar steht die Veröffentlichung des Debütalbums der Lowlakes an. Der kleine Happen in Zürich hat durchaus schon Appetit geweckt.



Live-Mitschnitt: Half Moon Run in Paris (18. Oktober 2013)

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