Von den Visuals erschlagen
Ganze fünf Songs hat es gedauert, bis das Publikum aus seiner Passivität erwacht ist, wobei man eine Teilschuld auch der Band ankreiden muss, genauer gesagt ihrer Bühnenshow. Riesige Beamer projizieren vor allem zu Beginn überambitionierte Visuals. Ein nervöser Buchstabensalat ist es bei «Bullet», hektisch blinkende Formen sind es bei «Evil Eye». Da die vier Musiker irgendwo zwischendrin im Halbdunkel agieren, ist man in diesem Moment als Zuschauer schlicht überfordert.Mit dem eingangs beschriebenen Crowdsurfingversuch bei «Do You Want To» erfolgt dann aber die Wende zum Guten. Wenig verwunderlich, dass es gerade dieser Song ist, kommt hier doch eine der Fähigkeiten des schottischen Quartetts besonders zur Geltung. Mit spielerischen Mitteln - und damit sind nicht La-La-La-Mitsingparts gemeint - schafft es die Band, das Publikum zu animieren. Wenn die Drums hüpfen oder Sänger Alex Kapranos zu seinen Spreizsprüngen ansetzt, geht auch das Publikum in die Luft. Wenn sich eine Parole anbietet, skandieren die Fans. Und wenn sich eine spannungsaufbauende Bridge anbietet, dann entsteht vor der Bühne kurzerhand ein riesiger Moshpit.
Fast beim Mischpult
Ähnlich ausufernd ist es bei «This Fire», dem zweiten herausragenden Höhepunkt der Show. Sinngemäss gerät alles ausser Kontrolle. Vor dem Song leert Kapranos sein Bier auf ex, es folgt ein siebenminütiger, stimmungsvoller Wortwechsel zwischen ihm (zwischendurch auch im Elvis-Modus) und dem Publikum und, sieh an, McCarthy begibt sich mit seiner Gitarre wieder auf Reisen. Dieses Mal wird er aber von den Fans getragen - und zwar sehr weit. Auf einmal befindet sich der Gitarrist fast beim Mischpult. Damit hatte er nicht gerechnet, die Verblüffung steht ihm nachher ins Gesicht geschrieben.Überhaupt zeigen sich die Schotten an diesem Abend mehrmals sichtlich erstaunt. Die widersprechende Meinung eines zwischenrufenden Zuschauers («I don't believe!») bei «Fresh Strawberries» bringt den schmunzelnden Sänger Kapranos kurz aus dem Konzept. Noch mehr Verlegenheit offenbart später seine Reaktion auf das wohl nicht in dieser Form erwartete, positive Feedback des Publikums zu «Can't Stop Feeling»/«Auf Achse». Die beiden Songs hat die Band zu einem minutenlangen Querschnitt vom elektronisch an Donna Summer's «I Feel Love» angelehnten Intro über 80er-Synthies bis zu glattem Rock nahtlos verbunden.
Die Dramaturgie übertrumpft
Dass Franz Ferdinand bei dieser Tour vermehrt auch den Fokus auf das Drum und Dran gelegt haben, hat nicht nur die visuelle Untermalung verraten, sondern auch die vier aufeinander abgestimmten Bandmitglieder-Outfits, die allesamt aus verschiedenen willkürlich angeordneten Schwarz-Weiss-Grau-Flächen bestehen und modisch durchaus etwas hergeben.Im Endeffekt sind das alles aber nur Begleitumstände, die von der gelungen aufgebauten Setlist locker in den Schatten gestellt werden: Dem gemächlichen Auftakt stehen zum Abschluss des regulären Sets ein Höhenflug aus fünf hintereinander folgenden Hits und dem vom letztjährigen Zürich Openair bereits bekannten Kollektiveinsatz des Quartetts am Schlagzeug gegenüber, derweil der Zugabenblock (unter anderem mit der jüngsten B-Seite «Erdbeer Mund», einem von McCarthy auf Deutsch gesungenen 80er-Trash-Track im NDW-Kleid) die Zuschauer sanft wieder auf den Boden der Realität zurückbegleitet. «Goodbye Lovers & Friends» bildet die passende Verabschiedung, an die man sich nur anschliessen kann: Jawohl, Freunde, auf ein baldiges Wiedersehen!