Ein ausführlicher Blick zurück

Überall von allem etwas dabei - so war das Gurtenfestival 2012

Ob das Wetter, die Qualität der Konzerte oder das Publikum: die diesjährige Ausgabe des Gurtenfestivals hatte in jeder Hinsicht etwas anzubieten. Der Rückblick.
Rekordbesuch am Gurtenfestival 2012
Rekordbesuch am Gurtenfestival 2012Photo: zVg., Gurtenfestival
Auf Regen folgte Sonne, auf beängstigend dunkle Wolken fünf Minuten lang Orkanböen, Platzregen und plötzlich war der Himmel doch wieder blau. Das sonntägliche Wetterchaos am Gurtenfestival war - so plump diese Vergleiche immer wieder klingen - sinnbildlich für die 29. Ausgabe des Festivals auf dem Berner Hausberg.

Nachmittägliche Hochs

Seine - zumindest musikalisch - besten Zeiten erlebte der Gurten dieses Jahr auffälligerweise immer am (frühen) Nachmittag. Angeführt wird die diesjährige Hitliste dabei vom äusserst erfrischenden, humorvollen Auftritt der deutschen Indie-Rockband Kraftklub, die am Samstag ab 14:00 Uhr in der Zeltbühne alle Register zog und einen nachhaltigen Eindruck hinterliess. Es war dies exakt 24 Stunden, nachdem das Gurtenfestival 2012 an selber Stelle seinen ersten wirklichen Höhepunkt erlebt hatte. Zu fünft auf der Bühne und mit etwa 15 Instrumenten hatten die Other Lives am Freitag eine traumhafte Stimmung kreiert und dank «For 12», «Tamer Animals» & Co für Gänsehautmomente vor (leider nicht überraschend) bescheidenem Zuschaueraufmarsch gesorgt.

Ganz am Anfang war das Festival nämlich am Donnerstag zunächst nur sehr langsam in Fahrt gekommen. Bei Noel Gallagher's High Flying Birds und Norah Jones vermochte der Funke nie wirklich auch nur annähernd überzuspringen. Der 13-köpfigen Hippie-Community Edward Sharpe & The Magnetic Zeroes um Sänger Alex Ebert, der wenig Berührungsängste zeigte und schon nach wenigen Minuten zum ersten Mal ins Publikum gegangen war, gelang dies ein wenig besser. Am besten machten es an diesem Tag aber - wie erwartet - die Friendly Fires mit einem gewohnt tanzbaren Set oder auch das französische DJ-Kollektiv Birdy Nam Nam zum Abschluss.




Der Tiefpunkt: Gorillaz Sound System

Am ehesten vom Gurten-Donnerstag 2012 in Erinnerung bleiben wird aber der Auftritt des Gorillaz Sound System - allerdings in negativer Hinsicht. Was war das? Einige Gorillaz-Hits kurz im Remix anspielen und die restliche Zeit mit beliebigem Perkussionsgetrommel und massentauglichen Elektro-Elementen (Dubstep, Charthits & Co) auffüllen? Eine grosse Enttäuschung, welche allerdings doch ein positives Gefühl zurückliess, denn so schlecht konnte es am ganzen Festival sicher nicht nochmals werden. (Obwohl: Plan B war am Sonntag während seines viel zu langen Slots mit unzähligen Coverversionen (u.a. «Kiss From A Rose», «Stand By Me») und nur wenig Soul in eine ähnliche Richtung unterwegs..)

Flip-Flops und Tänzerinnen

Aber zurück zu den erfreulichen Aspekten. Casper und Santigold überzeugten beide - natürlich nachmittags. Der deutsche Rapper offenbarte zum wiederholten Male gekonnt seine Live-Qualitäten, lockte kontinuierlich mehr Publikum vor die Hauptbühne und feierte zunächst im selbst initiierten Circle Pit inmitten der Fans und zum Schluss in Flip-Flops auf der Bühne, die ihm Minuten zuvor zugeworfen worden waren. Sympathisch! Und die strahlende Santi White alias Santigold mit ihrem abwechslungsreichen, genreübergreifenden Mix aus Underground, Beats, Disco und Pop bewies am Sonntag mit ihren beiden Tänzerinnen, dass diese nicht immer so verstörend wie bei Bonaparte sein müssen, um ein stimmiges Bild abzugeben. Wenngleich auch das Zirkusshow-Elektropunk-Kollektiv um den Berner Tobias Jundt am Vorabend im vollen Zelt hatte grösstenteils überzeugen können - halt wie immer ein wenig «too much» mit dem ganzen Tamtam drumherum..

Apropos volle Zeltbühnen: ähnliche Platznot herrschte im Anschluss an Bonaparte ebenfalls bei Fritz Kalkbrenner, dessen Set mit mehr «Melodie» und Härte etwas besser gefiel als dasjenige seines Bruders Paul vor zwei Wochen am OpenAir in St. Gallen, und bei den soliden Saalschutz in der Bamboo Bar war nach wenigen Minuten genauso kein Durchkommen mehr.




Zwei beeindruckende Heimspiele

Und wenn wir schon beim (angenehmen) Publikum sind, welches von ganz Jung bis ganz Alt in allen Variationen auf dem Hügel vertreten war: die meisten Leute generierten die Lokalmatadoren Züri West (bei durchgehend strömendem Regen!) und Patent Ochsner, die beide eine schier unglaubliche Anzahl Besucher vor die Hauptbühne anzogen (und zu einem imposanten Chor formten). Ähnlich voll sah es höchstens noch bei Headliner Lenny Kravitz aus, dessen Show am Freitagabend auch mit viertelstündiger Verspätung und viel Regen noch immer ausschliesslich aus bekannten Hits bestand.






Der Hamburger Entertainer

Viele eingespielte Discoklassiker gab es bei Jan Delay & Disko No. 1, welche am Sonntag exakt für die Länge ihres Konzerts die Sonne wieder hinter den Wolken hervor geholt hatten. Die funkige (und wenig überraschende) Show mit den musikalischen Querverweisen und «Freeze»-Einlagen kennt man vom Hamburger bereits bestens. Dass er zudem ein ausgezeichneter Entertainer ist, dürfte mittlerweile auch jedem Anwesenden klar geworden sein. (Stichwort: Tourmanagerin von Alanis Morissette und die Garderobentüre.)

Erwähnung verdienen abschliessend ebenfalls noch The Roots, die eigens für 18 Stunden Aufenthalt bzw. den Auftritt in Bern und ein DJ-Set in Zürich von den USA in die Schweiz geflogen waren. Als Headliner am Samstagabend bescherten sie den erstaunlich zahlreichen Fans mit ihrer ansprechenden Mischung aus Hip-Hop, Jazz und (ein wenig) Rock eine willkommene Abwechslung.




2013 mit den Toten Hosen

Mit drei ausverkauften Tagen und insgesamt 76'000 Besuchern blicken die Veranstalter auf einen neuen Rekord zurück. Dieser könnte kommendes Jahr aber bereits wieder gebrochen werden. Für die 30. Ausgabe des Gurtenfestival vom Donnerstag, 18. bis Sonntag, 21. Juli 2013 haben die Veranstalter diesen Sonntag nämlich schon den ersten Jubiläums-Headliner offiziell bestätigt: Die Toten Hosen.

Dass die deutsche Punk-Rockband auf ihrer neuerlichen Erfolgswelle eine unglaubliche Zugkraft besitzt, durfte dieses Jahr das OpenAir St. Gallen miterleben. Campino & Co waren mit Sicherheit mit ein Grund, warum das Ostschweizer Festival so früh ausverkauft war wie schon seit Jahren nicht mehr. Wer also den 30. Geburtstag des Festivals auf dem Berner Hausberg nicht verpassen will, sollte sich den Donnerstag, 01. November 2012 in der Agenda vorsorglich schon einmal markieren - denn dann startet der Ticketvorverkauf für das Gurtenfestival 2013.
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