Viel Schlamm und ohne Bargeld

Neue Zustände - So war das Open Air St. Gallen 2013

Im Februar hatte das 37. Open Air St. Gallen dank eines zeitgemässen Line-Ups seinen Ausverkauf vermelden können. Von der Austragung an diesem Wochenende hinterliess aber wohl der Schlamm am Festival den grössten Eindruck bei den 30'000 Besuchern.
So hat es in den letzten 15 Jahren im Sittertobel nicht ausgesehen.
So hat es in den letzten 15 Jahren im Sittertobel nicht ausgesehen. Photo: Open Air St. Gallen
Lange hat es gedauert, bis das Open Air St. Gallen seinem einst kolportierten Image als «Schlammfestival» wieder einmal gerecht geworden ist. Wobei man - ausser zum Schluss, als sich das Gelände nach einigen Stunden Sonnenschein etwas erholt hatte - nicht einmal von Schlamm sprechen konnte.

Seenlandschaft im Sittertobel

Schon mit genug Regenwasser aus den vergangenen Tagen und Wochen gesättigt, hatte der Boden die Wassermassen des stundenlangen Niederschlags am Samstag nicht mehr speichern können und verwandelte das Sittertobel in einen Sumpf mit etlichen Seen von bis zu 20 Zentimetern Tiefe. «Dank» der wenig verheissungsvollen Wetterprognosen im Vorfeld und der dementsprechenden Standardausrüstung mit Gummistiefel und Regenschutz gingen indes die wenigsten Zuschauer darin unter.

Selbst die Veranstalter sprachen im Nachhinein aber davon, dass das Areal trotz des wiederholten Abpumpens von mehreren Tonnen Schlamm noch nie in einem derart misslichen Zustand gewesen sein dürfte.

Shout Out Louds und Archive stechen heraus

Ganz so spektakulär wie die äusseren Umstände waren die Konzerte der Bands am diesjährigen Open Air St. Gallen nicht. Für die besten Auftritte sorgten auf der Sternenbühne die schwedische Indie-Rockband Shout Out Louds zum sonntäglichen Festivalabschluss und die Trip-Hopper Archive mit einer gewohnt mitreissenden Liveperformance, die dank Zelt und Zeit in der Nacht auf Samstag besonders gut zum Tragen kam.

Die schönsten Festivalmomente bescherten die Band Of Horses am frühen Samstagabend mit wunderbaren Minuten («Is There A Ghost» , «The Funeral» als krönende Zugabe) sowie die isländischen Sigur Rós, deren neue Songs («Brennisteinn») in der tiefen Freitagnacht mit stimmigen Visuals und bombastischen Klangwänden einen nachhaltigen Eindruck hinterliessen.

Königliche Rückkehr

Erfreulich zu sehen war, dass sich die Kings Of Leon nach ihrer Krise vor zwei Jahren wieder aufgerafft haben und dem trotz Dauerregen dicht gestaffelten Publikum eine würdige Headliner-Show mit durchaus imposanter, teils zu greller Lichtproduktion boten.



Beeindruckend die Abgeklärtheit der vielversprechenden Newcomer Jake Bugg und Haim. Noch am Vortag hatte Bugg am englischen Festival-Nonplusultra Glastonbury sein «bisher grösstes Konzert gespielt», derweil die drei amerikanischen Schwestern offensichtlich ebenfalls zwei unvergessliche Tage in Grossbritannien erlebt hatten. Beide blutjungen Acts stellten in St. Gallen aber mit erstaunlich viel Professionalität ihr grosses Potenzial nachdrücklich unter Beweis.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Dank passender Slots und strahlendem Sonnenschein bot sich den Folkacts Of Monsters And Men und The Lumineers optimales Konzertambiente, wobei sich zweitere mit einer ungemein sympathischen Darbietung noch ein paar Pluspunkte mehr abholten. Eher blass verlief dagegen der Auftritt der Shootingstars Macklemore & Ryan Lewis. Das Hip-Hop-Duo aus den USA wusste zwar von allen Acts am meisten Publikum vor der Sitterbühne auf seiner Seite, konnte aber die enorme Menschenmasse mit mässig abgemischtem Sound und holpriger Dramaturgie nicht restlos überzeugen.

So waren die Konzerte am Open Air St. Gallen 2013


Archive
Band Of Horses
Biffy Clyro
Bloody Beetroots
Bonaparte
Dada Life
Die Antwoord
Die Ärzte
Fidlar
Friska Viljor
Haim
Jake Bugg
Kings Of Leon
Klangkarussell
Macklemore & Ryan Lewis
METZ
Of Monsters And Men
Retro Stefson
Shout Out Louds
Sigur Rós
Terribly Overrated Youngsters

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Bargeldlos bewährt sich

Neben dem Publikum ging im übertragenen Sinn auch das neu eingeführte «Cashless-System» nicht im Sumpf unter. Trotz einiger Startschwierigkeiten beim Bändeltausch und dem Aufladen via Postcard funktionierte das bargeldlose Bezahlen spätestens ab dem zweiten Festivaltag ohne grössere Probleme. Angesichts des beträchtlichen Umfangs dieser Neuerung kann man durchaus von einem geglückten Experiment sprechen.

Verbesserungspotenzial ist dennoch an diversen Orten vorhanden. Beispielsweise würden dem Gast zugewandte Displays bei den mobilen Tablet-Kassen an den Bars einen verbesserten Überblick über die genau getätigten Transaktionen ermöglichen. Dank dem ersichtlichen Rechnungsbetrag könnte der Kunde zudem wieder vermehrt zur Trinkgeldabgabe verleitet werden. Diese fiel nämlich gemäss Barpersonal deutlich geringer aus als in den Vorjahren.

Problemzone Zutrittskontrolle

Trotz der widrigen Witterungsbedingungen haben die Ostschweizer Organisatoren eine weitere gelungene Ausgabe des Open Air St. Gallen erfolgreich hinter sich gebracht. Bleibt zu hoffen, dass für die kommende 38. Austragung des Traditionsfestivals vom Donnerstag, 26. bis Sonntag, 29. Juni 2014 in Sachen Einlassregelung die richtigen Schlüsse gezogen werden. Die kilometerlange Warteschlange am Donnerstag wird nächstes Jahr - angesichts der St. Galler Erfolgsstory und dem grassierenden Festivalboom - mit Sicherheit nicht kürzer werden.

Vielleicht findet sich ja wieder bei einem ausländischen Festival die passende Inspirationsquelle, wie man den Zutritt trotz suboptimaler Anfahrtswege verbessert über die Bühne bringen könnte. Beim bargeldlosen Bezahlen hat es jüngst mit dieser Art von Ideenbeschaffung ja schon ganz gut geklappt.



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