Dominanz im Kaufleuten

Die Macht einer Stimme - So war Bonobo in Zürich

Das Konzert von Bonobo am vergangenen Freitag im ausverkauften Kaufleuten in Zürich hat einen etwas zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Weil der Sound des 37-jährigen Briten stellenweise zu stark in den Hintergrund gedrängt wurde.
Sängerin Szjerdene (rechts) hemmt live die Beats von Bonobo (links).
Sängerin Szjerdene (rechts) hemmt live die Beats von Bonobo (links).Photo: Screenshot / Youtube, 190bassline
Gerade bei detailliert arrangierten, elektronischen Produktionen stellt sich häufig die Frage nach der geeigneten Live-Umsetzung. Wie schafft es der Künstler, die Atmosphäre von der Platte auf die Bühne zu transportieren, ohne an Wirkung zu verlieren?

Dass es sich bei dieser Herausforderung um kein leichtes Unterfangen handelt, hat sich am Freitag beim Auftritt von Simon Green alias Bonobo in Zürich ein weiteres Mal bestätigt. Zur Unterstützung hat Green derzeit für seine Konzerte vier Musiker (Schlagzeug, Keyboard, Saxophon, Gitarre) engagiert. Die Vocalparts übernimmt die Sängerin Szjerdene, welche auf seinem jüngsten Album «The North Borders» bei zwei Songs mitwirkt. Bonobo selber hält sich betont zentral im Hintergrund, wo er abwechselnd Bass spielt oder am Laptop und Pads werkelt.

Lediglich noch gewöhnlich

An seiner Zurückhaltung scheitert das Konzert nicht. Zum «Problem» - und das wird ziemlich früh klar - wird aber die Rolle der Gastsängerin. Trotz samtweicher Stimme ist Szjerdene's Präsenz zu dominant. Die Finessen der vielschichtigen Arrangements werden beim rund halben Dutzend Songs, die sie an vorderster Front bestreitet, von ihrem Gesang verdrängt, der trotz aller Schönheit ohne Ecken und Kanten im sphärischen Nirgendwo umherirrt. Das klingt dann wie gewöhnlicher Lounge-Soul im elektronischen Kleid, wie Morcheeba.

Und so finden sich in der rund anderthalbstündigen Show die stärksten Momente, von denen es zweifellos mehrere gibt, (leider) durchwegs dann, wenn die Gastsängerin nicht am Werk ist. Wenn Bonobo's variantenreiche Beats im Fokus stehen, die mal elektronisch, mal jazzig, mal wie Hip-Hop, mal tanzbar, mal andächtig, mal roh, mal verspielt daherkommen. Wenn der Bass bei den clubbigeren «Kiara», «Cirrus» «Kong» oder «Ketto» richtig ins Brummen gerät und den Boden erbeben lässt. Wenn der Übergang von «Recurring» zum karibisch angehauchten «We Could Forever» Begeisterungsschübe auslöst, wo hinter der Band die 16 zaunartig nebeneinander angeordneten LED-Türme plötzlich in roter, gelber und grüner Farbe aufleuchten. Oder wenn einzelne Bandmitglieder etwas Platz zur Entfaltung erhalten, sei es beim Einsatz der Querflöte oder einem ausufernden Schlagzeugsolo.

Zweites ausverkauftes Schweizer Konzert innert vier Monaten

Eindrücklich gezeigt hat sich in Zürich auch das weiter angewachsene Interesse an Bonobo. Trotz eines zweiten Auftritts tags zuvor in Solothurn war das Konzert im Kaufleuten schon seit zwei Wochen ausverkauft, genauso wie bereits vor knapp vier Monaten für seine Show im Berner Dachstock keine Tickets mehr an der Abendkasse erhältlich waren. Mit dem diesen Frühling erschienen Album «The North Borders» ist der Produzent aus dem renommierten Hause «Ninja Tune» augenscheinlich gefragter denn je.

Aus diesem Blickwinkel wäre es durchaus denkbar, dass nach der einmonatigen US-Tour im Herbst und Auftritten Anfang nächstes Jahr in Australien vielleicht für den Festivalsommer 2014 erneut wieder Shows in Europa und der Schweiz geplant werden. Ans Blue Balls nach Luzern würde Bonobo beispielsweise stilistisch gut passen. Vom Briten hat man am Vierwaldstättersee sicherlich schon Notiz genommen. Und das könnte dann bedeuten, dass der dortige Festivalchef Urs Leierer am Freitag im vollen Kaufleuten möglicherweise auch aus beruflichen Gründen im Publikum verweilte.
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