Gitarre, Stimme und Loopstation reichen

Ungelogen schön - So war Yoav in Zürich

Was man als einzelner Künstler inzwischen aus wenigen akustischen Mitteln und elektronischen Geräten herausholen kann, ist erstaunlich. So verlief denn auch gestern der geglückte Auftritt von Singer-Songwriter Yoav im Papiersaal.
Bei Yoav dient die Gitarre auch der Perkussion.
Bei Yoav dient die Gitarre auch der Perkussion.Photo: Screenshot / Youtube (TweakerRay)
Viel braucht er nicht: eine Gitarre, eine Stimme, zwei Mikrofone, keine Schuhe, ein Glas Wodka, eine Handvoll Scheinwerfer und - okay, das ist etwas aufwendiger - eine am Boden postierte Armada aus etwa zehn Effektgeräten samt Loopstation. Das ist die Live-Ausrüstung des bald 38-jährigen Singer-Songwriters Yoav, der gestern Mittwoch im schönen Ambiente des Papiersaals einen passenden Platz für einen seiner zwei Tourstopps in der Schweiz fand.

Wir woll'n die Füsse seh'n

Unscheinbar im T-Shirt und mit Brille stand der mal in Kapstadt, mal in New York, mal in Paris heimische Weltenbummler nun also in Zürich auf der Bühne und spielte sich im wahrsten Sinne mit Händen und Füssen durch sein Repertoire, das jüngst durch das dritte Album «Blood Vine» weiter Zuwachs erhalten hatte. Das Publikum hatte er dabei von Anfang auf seiner Seite, auch als dieses teils noch krampfhaft versuchte einen Blick auf seine Füsse beziehungsweise deren steten Einsatz an den Effektgeräten zu erhaschen.

Mit einem überraschenden, auch weil akzentfreien «Guete Abig Züri» gelang der Einstieg auf sympathische Art, die Zuschauer honorierten sein authentisches Auftreten auf ihre Weise - indem sie während den Songs ruhig waren. Und das kann man schon vorwegnehmen: Wenn es an einem anderthalbstündigen Konzert eines Singer-Songwriters fast immer mucksmäuschenstill ist, darf man das als Künstler als gutes Zeichen werten, denn dann spricht das für die Qualität des Auftritts.

Erfrischend spielerisch

Angesichts der beschränkten Instrumentierung und der daraus drohenden Eintönigkeit war das im Vorfeld nicht unbedingt zu erwarten gewesen, aber Yoav hangelte sich doch spielerisch durch so ziemlich alle Variationen, die man mit den vorhandenen Mitteln erzielen kann. Beim Pixies-Cover «Where Is My Mind?» nahm er den Hintergrundchor als ersten Bestandteil des Loops auf, indem er ihn in den Gitarrenkorpus hineinsang. Dann war es ein dumpfer Beat, den er durch Trommeln auf ebenjenen Resonanzkörper ins Rollen brachte, dann erinnerten gezupfte und elektronisch verarbeitete Gitarrenläufe («Beautiful Lie») an die 90er-Jahre und damalige Acts wie Underworld. Mit einem Augenzwinkern unternahm er zudem noch einen weiteren Ausflug in diese Epoche: Kurz mit stark zurückschallendem Hall über die Saiten gestrichen und schon war das Depeche Mode-Cover zu «Enjoy The Silence» entstanden.

Yoav bediente sich aber keineswegs nur an fremden Songs und Einflüssen. Der Refrain zu «Keep Calm Carry On» fiel live noch berührender aus. Der chorale Mitsingpart des Publikums zum drum'n'basigen «Pale Imitation» verlieh dem Track noch mehr Ausdruck, machte das Schicht für Schicht aufgebaute Konstrukt noch eindringlicher. «We Are All Dancing» animierte selbsterklärend und «Club Thing» gesellte sich wenig überraschend zu den diversen Höhepunkten.


Video: Youtube / catfish1971

Humor kommt nicht zu kurz

Der ansprechende Live-Charakter der Show kam zudem besonders gut bei einigen amüsanten Passagen zum Vorschein. Wenn Yoav mit einem gebastelten Beat nicht zufrieden war («No, I can do this better», «I don't like this groove yet»), wenn - wie anfangs geschehen - der Zwischenpfiff eines Zuschauers in einem aufgenommenen Loop gefangen blieb und so unbeirrt einen ganzen Song begleitete oder wenn der gebürtige Israeli seine Gitarre derart kaputtgespielt hatte, dass er für die letzten beiden Songs vor allen Leuten im Scheinwerferlicht eine neue Saite aufzuziehen hatte.

Allgemein war es beeindruckend, wie der sonst laut eigener Aussage so schüchterne Sänger auf der Bühne in seinem komplexen Treiben aufging und einen sicheren Eindruck hinterliess. Und während Yoav das Konzert mit einem seiner ersten populären Tracks über eine wunderbare Lüge ausklingen liess, bleiben wir hier zum Schluss bei der Wahrheit: Das war ein überaus schöner Abend.


Video: Youtube / catfish1971
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