Überzeugende Ambitionen

Gut geklotzt - So waren Abby in Zürich

Der Mittwochabend im Zürcher Papiersaal entwickelt sich zum Fixtermin für verheissungsvolle Konzerte. Gestern Abend fahren die vier Wahlberliner von Abby grosses Geschütz auf - und überzeugen mit modernem Indie-Pop.
Mit Cello, Visuals und guter Stimme unterwegs: Abby.
Mit Cello, Visuals und guter Stimme unterwegs: Abby.Photo: Screenshot / Youtube, philnoack
Die Szenerie ist nicht zu vergleichen: Zwei Wochen zuvor stand der gebürtige Israeli Yoav noch ganz allein mit Gitarre und Loopstation auf der sowieso schon eher kleinen Bühne des Papiersaals, gestern nun das komplette Gegenstück. Als «äusserst ambitioniert» kann man durchaus betiteln, was das deutsche Quartett Abby bei seinem einzigen Schweizer Konzert präsentiert. Eine mit Instrumenten, Effektgeräten und zusätzlichen Lichtelementen vollgepackte Bühne zählt da dazu, eine Leinwand für die durchgängigen Visuals, ein üppiges Mischpult samt Techniker und selbst ein eigener Roadie, der vor und während der 75-minütigen Show stets beschäftigt umherwirbelt und kurz vor Schluss gar von der Band als Tourmanager blossgestellt wird, der just an diesem Tag seinen Geburtstag feiert.

Hierzulande noch nicht so viele Freunde

So eine Crew gehört doch mittlerweile zur Standardausstattung jedes vernünftigen Acts, wird man berechtigt dagegen einbringen, klar. An diesem Abend fällt das im mit grosszügig geschätzten 75 Zuschauern höchstens halb gefüllten Saal aber halt auf. Es ist augenscheinlich, dass Abby in der Schweiz noch nicht über den Status eines unbekannten Geheimtipps hinausgekommen sind. In ihrer deutschen Heimat war das vor drei Jahren ebenfalls noch der Fall, hat sich inzwischen aber geändert. Seit dem Release des in sich stimmigen Debütalbums «Friends And Enemies» im Sommer füllen sie dort mit ihren überaus mitreissenden Liveshows mittlerweile kleine Clubs.

Die überschaubare Besucherkulisse schadet dem lauten Konzert keineswegs. Wird beim Einstieg mit «This Song Remains Through All» noch zögerlich mitgewippt, fällt die allfällige Hemmschwelle bereits mit dem zweiten, überzeugend aufgebauten Song «Streets», dessen tanzbares Kleid sich nach einem Cello-Intro entfaltet und begleitet von Landschaftsaufnahmen eines Roadtrips im Hintergrund zum Schluss in ein wildes Treiben auf der Bühne ausartet, wo Sänger Filou (mutmasslich einer von drei «Philipps» in der Band) an den Drums mittrommelt und Multiinstrumentalist Tilly alias Philipp an seinem Mikrofon mit Stimmeffekten bastelt. «Ihr dürft ruhig weitertanzen», konstatiert Filou im Anschluss zufrieden. Gerne!

Ohrwurm auf Ohrwurm

Im selben Stil geht es nämlich weiter. Ansprechende mit interessanten Details angereicherte Produktionen und einprägsame Melodien offenbaren den Ursprung des Quartetts an der Mannheimer Popakademie - und sein unbestritten grosses Potenzial. Die eingängige «Evelyn» hat zu Recht diesen Sommer viel Airplay in den deutschen Radios erhalten. «Monsters», das vom dazugehörigen, frischen Videoclip visuell untermalt wird, trumpft mit einem Steigerungslauf vom ruhigen Gesangsauftakt zum pumpenden Tanzsong auf und zuguterletzt entpuppt sich das luftige «Wings & Feathers» als weiterer, veritabler Ohrwurm.

Stiehlt Tilly mit seinen auffallenden Einsätzen an Flöte, Cello, Gitarre oder dem mit viel Hall verzerrten Mikrofon zunächst den anderen noch etwas die Show, gleicht sich das mit der Zeit aus, steht die angenehme Stimme Filous öfters im Fokus oder bedienen Henne (vermutlich der dritte Philipp im Bunde) und Lorenzo ihr Schlagzeug bzw. das Keyboard und die Synthesizer im Stehen. Dass die Chemie innerhalb der homogenen Band stimmt, ist offensichtlich, kommt sehr sympathisch rüber und trägt mit zu einem erneut gelungenen mittwöchlichen Konzertabend in Zürich bei.
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