Zu wenig aus sich herausgekommen

Im glatten Pop gefangen - So war Tom Odell in Zürich

Diesen Sommer stürmte Tom Odell mit seinem Debütalbum «Long Way Down» die Schweizer Charts. Gestern gastierte der englische Sänger im ausverkauften Volkshaus in Zürich - und präsentierte viel Kontrolle und wenig Lichtblicke.
Bestens ausgeleuchtet: Tom Odell im Volkshaus.
Bestens ausgeleuchtet: Tom Odell im Volkshaus.
Zum Schluss stand man hin- und hergerissen da. Zweifellos war mit Tom Odell eben ein begnadeter Pianist und Erschaffer einer Handvoll toller Popsongs auf der Bühne des als «ausverkauft» betitelten Zürcher Volkshauses an seinem Instrument gesessen. Und doch hatte irgendetwas gefehlt: Der ominöse Funke hatte im Verlauf der 80-minütigen Show nur wenige Male überspringen wollen.

Angezogene Handbremse

Die Problematik offenbarte sich dabei bereits von Beginn weg. Mit den schönen «Grow Old With Me» und «Can't Pretend» gestaltete sich dieser zumindest songtechnisch geglückt. Auch das Setting auf der Bühne stimmte, wo ein riesiger, hinter dem blonden Sänger postierter und von oben auf ihn herableuchtender Scheinwerfer den Protagonisten ins beste Licht rückte. Das war es aber auch schon. Neben dem unruhigen Publikum, das zunächst regelrecht unter einer verheerenden Anzahl filmender Smartphone-Displays verschwunden war, hatten nämlich auch Odell und seine distanzierten Begleitmusiker an Schlagzeug, Bass und Gitarre ihre Teilschuld am zu oft belanglosen Set. Sie schienen unisono irgendwo eine Handbremse angezogen haben. Zu kontrolliert, zu glatt wirkte das gesamte Geschehen.

So dauerte es anfangs bis «Sense», bis der am Wochenende 23 Jahre alt gewordene Engländer endlich einmal den richtigen Draht fand. Allein am Piano und im Schweinwerferspot schaffte er es, mit der eindringlichen Ballade die Location vollständig ruhig zu stellen. Dank des immer intensiver werdenden Songs und dem stimmigen Ersteinsatz einiger überdimensional grosser und beliebig auf der Bühne montierter Glühbirnen sollte sich dieser Augenblick - zusammen mit dem leisen Pianointro zur Hitsingle «Another Love» - am Ende gar zum Höhepunkt des Abends mausern.


Video: Youtube / Jan Axen

Weg aus der Wohlfühlzone

Es waren genau diejenigen (spärlichen) Momente, die aus der farblosen Show herausstachen, in denen Odell seine Wohlfühlzone des gefälligen Pops verliess, wo es entweder hochemotional oder ausgelassen wurde, wo er seiner guten Stimme freien Lauf liess.

Ideal kam dieses angenehm Unkontrollierte im Anschluss an «Supposed To Be» zur Geltung, wo die Bandmitglieder in einem äusserst netten Jazz-/Soulthema einzeln vorgestellt wurden oder bei den beiden eingestreuten Coverversionen («Oh! Darling» von den Beatles / «I Just Wanna Make Love To You» von Etta James), deren Unbeschwertheit dem Quartett um den jungen Pianisten und Sänger im weissen Hemd das notwendige Freiheitsgefühl verlieh, um an einem Konzert die Distanz zum Publikum überbrücken zu können - und nicht im eigenen Korsett gefangen zu bleiben.
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