Wie sich das Gurtenfestival behauptet

Konkurrenz und Kollaboration

Äusserst positiv sind die Rückmeldungen auf das diesjährige Line-Up des Gurtenfestivals ausgefallen. Festivalpromoter Phibe Cornu erklärt, wie das Programm zustandegekommen ist und wie es mit der Konkurrenzsituation aussieht.
Passt: Der Jahrgang 2014 des Gurtenfestivals.
Passt: Der Jahrgang 2014 des Gurtenfestivals.Photo: Gurtenfestival
Biffy Clyro, The Prodigy, Massive Attack und Placebo: Festivalprogramme anhand ihrer Headliner zu beurteilen, ist eigentlich ein eher zweifelhafter Vorgang. In diesem Zusammenhang bietet er sich allerdings an, denn die Veranstalter des Gurtenfestivals haben es 2014 geschafft, vier Zugpferde zu engagieren, die nahezu perfekt in die musikalische Ausrichtung des Festivals passen: Prominente Bands, mehrheitlich aus den 90er-Jahren, die den breiten Musikgeschmack des durchschnittlichen Gurtenbesuchers zufriedenstellen und in drei von vier Fällen in der Vergangenheit schon einmal auf dem Berner Hausberg aufgetreten sind.

Wertvolle Bekanntschaft

Zweiteres hat sich dabei bei der erneuten Buchung dieser Acts als äusserst hilfreich erwiesen. «Bei Placebo, Massive Attack und The Prodigy kam uns zugute, dass die Bands und ihre Agenten den Gurten bereits kennen», sagt Festivalpromoter Phibe Cornu. Und um Biffy Clyro hatte der Booker bereits im vergangenen Jahr - damals noch ohne Erfolg - gebuhlt.

Die vier Headliner stehen sinnbildlich für den stark britischen Einschlag, der im diesjährigen Line-Up des Gurtenfestivals auszumachen ist. Eine ähnliche Auslegung war zuletzt vor drei Jahren mit Bands wie den Arctic Monkeys, Jamiroquai oder Kasabian zu beobachten. Hat man für 2014 bewusst wieder ein solches Booking geplant? Cornu verneint: «Es ist sehr schwierig, eine bestimmte Strategie umzusetzen, weil ein erfolgreiches Engagement eines Acts von vielen Faktoren abhängt», und hebt mit Tourplan («Ist eine Band wirklich bis Mitte Juli in Europa unterwegs?»), Routing («Reicht es zeitlich, wenn z.B. Portugal am Tag davor dran ist») und der Gage («Gibt es höhere Offerten von anderen Festivals?») drei wesentliche Gründe für das Scheitern einer Verpflichtung hervor.

Harte Konkurrenten in Südeuropa

Gerade im finanziellen Bereich spielt die Festivalbranche mittlerweile ziemlich verrückt. Laut Cornu sind die Gagen in den vergangenen Jahren im Schnitt um rund einen Drittel (!) angewachsen und «sie steigen weiter praktisch unaufhörlich». Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Einerseits verdienen die Bands bekanntlich nur noch wenig mit CD-Verkäufen bzw. Downloads und möchten umso mehr (einträgliche) Konzerte spielen. Andererseits hat die Festivaldichte in Europa noch einmal zugenommen, was für das Gurtenfestival im internationalen Vergleich die härteste Konkurrenz bedeutet. Phibe Cornu: «Parallel zu uns gibt es in Portugal und Spanien stark gesponserte Festivals, die hohe Offerten anbieten können. Wenn dort ein Promoter beschliesst, dass er einen Act unbedingt verpflichten möchte, wird deutlich mehr Geld investiert als früher.» Zusätzlich wird dann für die Gurten-Verantwortlichen zum Problem, dass sie diese Acts nur noch mit extra gecharterten Flugzeugen engagieren könn(t)en, was den Aufwand nochmals weiter steigert.

Auf dem nationalen Markt sieht es gemäss Cornu etwas entspannter aus. Klar stehe man trotz freundschaftlicher Verbindungen in Konkurrenz mit den anderen grossen Festivals im Land, offeriere aber oft lieber gemeinsam, damit eine Band überhaupt in die Schweiz kommt. Vor allem mit dem unmittelbar danach startenden Paléo arbeitet man in Bern auf diese Weise zusammen, weswegen Placebo, The Prodigy und Jake Bugg im Sommer nun eben an beiden Festivals auftreten werden.

Andere Zielgruppe als Montreux Jazz & Co

Natürlich ist der Promoter des Gurtenfestivals dennoch bestrebt, möglichst viele Acts exklusiv in sein Line-Up aufzunehmen. Für diese stehen allerdings - aus vorgängig erwähnten Gründen - meistens die eigenen Interessen im Vordergrund, sprich: so viele Shows wie möglich spielen zu können. «Wir schauen dann, dass ein zweites Konzert in der Schweiz weit entfernt stattfindet oder ein anderes Publikum anspricht», erklärt Cornu. So kann ein Gurten-Act durchaus für andere Juli-Festivals wie das Paléo, Montreux Jazz, Moon And Stars oder Live At Sunset in Zürich in Frage kommen.

Anders sieht es mit Blick auf das Open Air St. Gallen aus, das eine ähnliche Zielgruppe bedient. Häufig würden der dortige Booker Christof Huber, den Cornu als einer seiner besten Freunde bezeichnet, und er die gleichen Bands buchen wollen. Dass die Freundschaft aber trotzdem nicht unter dieser Konkurrenzsituation leide, hat einen einfachen Grund: Vielfach entscheidet die Tourperiode, welches der beiden Festivals im Endeffekt den Zuschlag erhält.

Parov Stelar Band nach Massive Attack?

Vier durchaus attraktive Slots sind im Line-Up des Gurtenfestival 2014 derzeit noch zu besetzen. Zumindest eine dieser Lücken dürfte schon sehr bald geschlossen werden. Dem Vernehmen nach ist damit zu rechnen, dass Österreichs erfolgreichster Musikexport, die Parov Stelar Band, den Samstagabend auf der Hauptbühne zu einem würdigen Abschluss bringen soll. Da die Electroswing-Combo heute in Winterthur noch ein Solokonzert spielt und die Sperrfrist zur Bekanntgabe für das Festival damit abläuft, dürfte einer offiziellen Bestätigung in den kommenden Tagen eigentlich nichts mehr im Weg stehen.

Nicht nur in den obersten Regionen passt der Mix des Gurtenfestivals 2014. Den Part des jährlichen «Bijous» übernimmt - neben dem europaweit gefragten Indie-Folktrio Mighty Oaks - dieses Mal insbesondere der amerikanische Songwriter Conor Oberst. Vorab bekanntgeworden durch sein Bandprojekt Bright Eyes, wird der 34-jährige Sänger mit der zittrigen Stimme und dem feinen Gespür für bezaubernde Songs im Mai sein nächstes Soloalbum «Upside Down Mountain» veröffentlichen.



Eine Abordnung Bands der Kategorie «Newcomer mit eindrücklichem Hitparadendurchbruch» wird von Milky Chance, Kodaline und mit Abstrichen Family Of The Year («Hero») angeführt. Ihnen gegenüber stehen mit dem John Butler Trio, Selah Sue, Everlast und Seasick Steve vier «klassische» Gurten-Acts, die dort - im Vergleich mit anderen grossen Deutschschweizer Festivals - wohl am besten funktionieren.



Den kurzen Programmüberblick beschliessen herausstechende Schweizer Künstler auf der Waldbühne (u.a. Kadebostany, Jeans For Jesus) und zwei wichtige Exponenten der britischen Musikszene, Franz Ferdinand und Jake Bugg.


» alle bestätigten Bands im Überblick


Seit einer Woche sind neben den 3- und 4-Tagespässen und den Tagestickets für den Samstag neu auch sämtliche Tickets für den Freitag vergriffen. Einzig für den Donnerstag und Sonntag sind im Vorverkauf noch Tagestickets (CHF 90) und 2-Tagespässe (CHF 130) erhältlich.
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