Warum Konzertabsagen in Kauf genommen werden

Die Lust am Risiko

Konzertverschiebungen auf ein späteres Datum oder gar eine Absage sind nicht nur für die Fans ein Ärgernis. Auch für die Veranstalter bedeuten sie unnötigen Mehraufwand, wie ein aktuelles Beispiel zeigt. An ihrer Haltung wird sich aber nichts ändern.
Die jüngsten Konzertabsagen von Azealia Banks kamen wenig überraschend.
Die jüngsten Konzertabsagen von Azealia Banks kamen wenig überraschend.Photo: Montage (Hintergrund: zVg., Just Because)
Etwa drei Jahre ist es schon alt. Eines der Paradebeispiele dafür, wie ein Song viral durchstarten kann. «212» katapultiert die zweifellos talentierte Rapperin Azealia Banks im Herbst 2011 rasch ins Rampenlicht. Über 75 Millionen Mal ist der Clip bis heute bei Youtube aufgerufen worden. Viel zustande gebracht hat die 23-jährige Amerikanerin mit dem losen Mundwerk seither aber nicht wirklich. Vorab ist sie durch diverse (peinliche) Pöbeleien, das andauernd aufgeschobene Veröffentlichungsdatum ihres immer noch nicht erschienenen Debütalbums und zahlreiche Konzertverschiebungen und -absagen aufgefallen.



Diese Woche hätte Azealia Banks in Zürich und in Lausanne auftreten sollen. Doch - oh Wunder! - beide Shows wurden abgesagt, nachdem sie bereits vom April in die erste Oktoberwoche verlegt worden waren. Notiz am Rande: Die zwei Termine der April-Konzerte waren selbst schon ein (nicht kommuniziertes) Verschiebungsdatum. Ursprünglich hätte Banks bereits im vergangenen Dezember in der Schweiz auftreten sollen.

Schlecht fürs Budget und den Ruf

Das ewige Hinundher ist nicht nur für die Fans mühsam, sondern auch für die Organisatoren. Wird das Konzert im Endeffekt abgesagt, erhalten die Veranstalter immerhin ihre Anzahlung an den Act (= im Normalfall die Hälfte der Auftrittsgage) zurück. Wird die Show hingegen verschoben, kostet das Zeit und zusätzliches Geld. «Die Promotion muss neu aufgegleist, extra organisiertes Material und Personal umgebucht werden. Wenn das zu kurzfristig geschieht, zahlen wir drauf», sagt Isabelle Tschäppeler, Konzertveranstalterin & Produktionsleiterin im X-Tra, wo Azealia Banks ihre Zürcher Show bestritten hätte.

Für die Location, die den Konzertabend für andere Anlässe geblockt hat, würde eigentlich eine Ausfallsentschädigung in Form eines vertraglich festgeregelten Anteils der Miete zustehen. Um die Zusammenarbeit mit externen Veranstalter aber positiv aufrechtzuerhalten, verzichten viele kleinere Locations normalerweise auf ihre Ansprüche. Gleichwohl können wiederholte Absagen und Verschiebungen das Image eines Veranstalters und einer Location schädigen.

Im Fall von Azealia Banks kam die erneute Absage der Schweizer Konzerte angesichts ihrer Vorgeschichte keineswegs überraschend. Warum bucht man also trotzdem solche «riskanten» Acts? Tschäppeler: «Es wäre langweilig, wenn man immer nur sichere Bands buchen würde. Eine unerwartete Entdeckung oder ein Glücksgriff wären so gar nicht möglich.» Als Beispiel nennt sie den brasilianischen Sänger Michel Telo, den man ein Jahr vor seinem Durchbruch für eine Show im X-Tra im Jahr 2012 gebucht hatte, als sein riesiger Chartserfolg mit «Ai Se Eu Te Pego!» noch nicht annähernd absehbar war.

Warum nicht noch einmal buchen?

Gerade auf dem Gebiet junger Rapperinnen, wie eben Azealia Banks oder auch Angel Haze und Iggy Azalea, deren Debütalben lange auf sich haben warten lassen (oder immer noch tun), hat sich in der nahen Vergangenheit eine Konzertabsage an die andere gereiht. Ohne Album lassen sich halt weder Tickets verkaufen noch eine vernünftige Setlist zusammenstellen. Und dennoch, so Isabelle Tschäppeler, würde man das Risiko eines weiteren Engagements solcher «Problemfälle» erneut auf sich nehmen. Wenn denn die Umstände nicht zu fragwürdig erscheinen - und die Acts bis dahin nicht selbst schon längst alle ihre Fans vergrault haben.
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