So war Ben Howard in Zürich

Das andere Konzept

Für manchen Zuschauer bietet die Zürcher Show von Ben Howard bisweilen schwere Kost. Weil Howard mit den gängigen Konzertkonventionen bricht und fast ausschliesslich nur neue Songs präsentiert. Ein interessantes Vorhaben.
Ben Howard bei seinem Auftritt in der Vorwoche in Stockholm.
Ben Howard bei seinem Auftritt in der Vorwoche in Stockholm.Photo: Youtube / nofmusic
Das zauberhafte «Conrad» mit der so schön gemächlich im Hall treibenden Gitarre als Opener: 8 Minuten. «Time Is Dancing» als Zweites: 7 Minuten. Bereits früh deutet sich an: Der Abend mit Ben Howard im seit Wochen ausverkauften X-Tra wird ungewöhnlicher verlaufen als ein «normales» Konzert.

Vor einem Monat ist Howards zweites Album «I Forget Where We Were» erschienen. Es wird bei dieser Show vollends im Zentrum stehen. Viel Zeit werden sich der immer wieder seine Fertigkeiten an der Gitarre demonstrierende Londoner und seine fünfköpfige Band für jeden einzelnen der neuen Songs lassen. Damit all die kleinen Kunstwerke genug Raum zur Entfaltung bekommen.

Hier gehts um die Musik

Das Licht spielt mit, besser gesagt das Nicht-Licht. Zum grossen Teil ist die Bühne den ganzen Abend fast im Dunkeln, sind einzig die Silhouetten der Musiker in den Schwaden der Lichtstrahlen erkennbar. Mal nebelt es rot, mal blau, meist weiss. Möglichst wenig Ablenkung, möglichst wenig Spektakel. Hier gilt effektiv: C'est le ton qui fait la musique.

Von den Zuhörern erfordert das einiges an Aufmerksamkeit. Sie müssen sich mit den ausgedehnten Songs auseinandersetzen. Nicht alle sind an einem Sonntagabend zu diesem Spagat in der Lage und kapitulieren. Ab und an ist das durchaus nachvollziehbar. Wenn die lobenswerte Musikalität der diversen Multiinstrumentalisten auf der Bühne als Hindernis wirkt, weil manch Umbaupause zwischendurch zu lange andauert, um die Spannung aufrechtzuerhalten.

Während den Songs vermag sich diese Anspannung gleichwohl aber immer wieder aufs Neue zu entwickeln und entlädt sich in denjenigen Phasen genüsslich, wenn die Band wie bei «Small Things», «I Forget Where We Were» oder insbesondere «End Of The Affair» in kurze, progressive Rocksphären abschwirrt und die Scheinwerfer für einmal verrückt spielen.

Anspruchsvoll

Die Ansprüche von Ben Howard an sein Publikum sind an diesem Abend durchaus hoch. Wer nur für die früheren Hits der Sorte «Keep Your Head Up» oder «Only Love» gekommen ist, wird nicht auf seine Kosten gekommen sein. Wer sich aber in den knapp anderthalb Stunden darauf eingelassen hat, sich Howards Aufgabenstellung hinzugeben, der wird zufrieden den Gang nach Hause angetreten haben. Mag es nicht als das beste der Schweizer Konzerte von Ben Howard in Erinnerung bleiben, von der Ausgangslage her war es sicherlich das interessanteste.

Jack, der Hexer


Und da war da noch Jack, Jack Garratt. Sympathischer Vollbart- und Kappenträger aus England, gerade mal 22 Jahre jung. Nicht zum ersten Mal auf der aktuellen Tournee von Ben Howard nutzt er seinen Supportslot in beeindruckender Manier. Mit den Armen wie ein Hexer fuchtelnd fabriziert Garratt mit Hilfe von Loopstation, Piano, Samplern, umgehängter Gitarre, einer grossen Portion Ausstrahlung, Multitasking-Skills und seiner wandlungsfähigen Stimme mehr als ansehnliche Popballaden, die immer wieder in überraschende Electronica- oder Rocksalven ausbrechen. Nice!

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