So waren alt-J in Winterthur

Die nächste gute Idee

Die ausverkaufte Show von alt-J in Winterthur hat zwei Erkenntnisse geliefert: Dass die Band bislang lediglich mit einer ihrer Ideen gescheitert ist - und warum ein Locationupgrade in die Eishalle Deutweg tatsächlich auch positive Seiten haben kann.
Für den Gesang bei alt-J zuständig: Gus-Unger Hamilton (li.) und Joe Newman (re.) bei einem Auftritt in Berlin.
Für den Gesang bei alt-J zuständig: Gus-Unger Hamilton (li.) und Joe Newman (re.) bei einem Auftritt in Berlin.Photo: Screenshot / Youtube (assaf reiter)
Gedämpfte Erwartungen im Vorfeld eines Konzerts sind immer gut. Im Fall der ausverkauften Show von alt-J gestern in Winterthur kamen diese allerdings nicht unbedingt wegen der Band zustande, sondern aufgrund der äusseren Umstände. Die Eishalle Deutweg ist ja nun nicht gerade als die Konzertlocation schlechthin bekannt. Keine Garderobe bei Minustemperaturen im Freien: Unschön, aber machbar. Schon eher widrig: Die gewohnt mickrige Bar-Situation vor Ort. Und da wäre eben noch die oft gescholtene Akustik.

Immerhin diese (wirklich) wichtige Komponente kam für einmal nicht auffällig störend zum Tragen. Wider Erwarten war das Konzert ganz vernünftig abgemischt. Einzig mehr Bass hätte man sich noch wünschen können. Im Hinblick auf den doch eher höhenlastigen Sound der Band war diese Massnahme allerdings nicht allzu verwunderlich.

Womit die Eishalle punkten kann

Dass das Konzert vom Zürcher X-Tra in die Eishalle hochverlegt worden war, hatte indes auch äusserst erfreuliche Auswirkungen. Zum einen konnten die Veranstalter der enormen Nachfrage mit einer doppelt so grossen Location gerecht werden - und viel wichtiger: Es war damit Platz genug für eine imposante Bühnenproduktion.

In Sachen Licht fuhren alt-J nämlich Komponenten auf, die im «kleinen» X-Tra mutmasslich nicht annähernd in diesem Ausmass hätten eingerichtet werden können: Unzählige bewegliche LED-Quadrate über einem Dutzend Leinwandsäulen, zig Scheinwerferleisten, Strobos, Nebeleffekte und so weiter.

Der ambitionierte Einsatz dieser üppigen Installationen zeichnete denn auch für den ersten Höhepunkt der Show verantwortlich: Auf das ruhige Intro von «Fitzpleasure» folgte gemeinsam mit dem einsetzenden Bass ein blinkendes Lichtermeer. Massgeblich trug die visuelle Produktion dazu bei, dass das songmässig stark besetzte, erste Konzertdrittel mehr als gelungen ausfiel. Das rötliche LED-Gewitter beim wunderbaren «Something Good», «rollendes» Licht bei «Dissolve Me», kreisende Scheinwerfer und überlegte Visuals: alt-J hatten an alles gedacht.

Durch und durch konstruiert, aber gut

Überraschend kommt das natürlich nicht. Eine Band, die ihre etlichen Soundideen zu nahezu mathematisch aufgeschichteten Songkonstrukten mit eigenwilligem Gesang und abgehackten Drum-Rhythmen zusammenbastelt, wird konsequenterweise auch ihre Bühnenshow bis aufs Äusserste konstruieren. Umso schöner aber, wenn das Gesamtprodukt, dass alt-J an diesem Abend während rund anderthalb Stunden unaufgeregt dem Schweizer Publikum präsentierten, am Schluss dann auch so stimmig in sich rüberkommt - vom schönen Opener «Hunger Of The Pine» bis zum fordernden Abschluss mit «Breezeblocks».

Zu bemängeln gibt es ergo eher wenig: Dass beispielsweise «Bloodflood» eine der wenigen Längen in die Show brachte, dass «Left Hand Free» - im Konzert und im Songkatalog der Band generell - ziemlich quer in der Gegend stand oder dass Sänger Joe Newman ab und an einen falschen Ton traf, ist alles durchaus verschmerzbar.

Vielmehr prägten die Höhepunkte den positiven Gesamteindruck: «Taro» mit seiner indischen Sitar-Melodie samt Xylophon und mandalaartigen Visuals plus unerwartetem Zusatz-Outro war gleichbedeutend mit fünfminütiger Gänsehaut. Auch «Mathilda» in Zusammenarbeit mit dem Winterthurer Publikumschor mauserte sich zu einem besonders schönen Konzertmoment.

Solange nur eine Idee scheitert..

Sänger Joe Newman bedauerte einst in einem Interview mit PonyDanceClyde, dass die Idee der Band, sich mit dem Delta-Symbol in Verbindung zu bringen, in der Öffentlichkeit nicht funktioniert habe. Trotz zu Dreiecken geformten Fingern, die auch gestern vereinzelt bei Zuschauern in Winterthur zu sehen waren. Solange die (anderen) Ideen für Sound und Live-Umsetzung aber derart gut ankommen, muss alt-J um eine rosige Zukunft nicht bange sein.
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