Die Vorschau

m4music 2018: Liebe auf den zweiten Blick

Warum es sich gerade beim m4music lohnt, stets das grosse Ganze zu betrachten. Die Vorschau auf die diesjährige Ausgabe.
Was für eine Devise verfolgt das m4music 2018?
Was für eine Devise verfolgt das m4music 2018?Photo: m4music
Wer empfindlich reagiert, solle sich darauf vorbereiten. Heisst es im Handbuch zur Zeitumstellung. Dieses Wochenende wird aber nicht nur auf Sommerzeit umgestellt, auch die 21. Ausgabe des m4music steht auf dem Programm. Und darauf sollte man sich ebenfalls vorbereiten – zumindest, wer empfindlich auf Hip-Hop reagiert.

Denn sang und schunkelte man in den Vorjahren vor der Hauptbühne im Schiffbau noch bei Frank Turner oder Brian Fallon mit, wird 2018 zu Yung Hurn oder Trettmann mitgerappt und mitgebounct. Und die beiden Acts sind bei weitem nicht die einzigen Vertreter ihrer Genres. Das zeigt ein erster flüchtiger Blick auf das Line-Up: Unter anderem Romano, Lady Leshurr, Ace.Tee & Kwam.e, BRKN und Stereo Luchs sind dieses Jahr allesamt ebenfalls im Schiffbau am Start – so dass sich Fragen aufdrängen: Haben Rap und Trap die Singer und Songwriter verdrängt? Hat das m4music eine neue Strategie?

Computer statt Gitarren, Stereo Luchs statt Trauffer

Absicht hat keine dahinter gesteckt, sagt Santosh Aerthott, der Bookingverantwortliche des Festivals. Es habe sich so ergeben. Aufgefallen ist aber auch ihm: «2018 scheint ein Computer auf der Bühne tatsächlich zeitgemässer zu sein als Gitarren.» Zudem spielt Zürich als urbaner Austragungsort eine Rolle. «Die Stadt hört im Moment viel Musik, die von Hip-Hop und Electronica beeinflusst ist», erklärt Festivalleiter Philipp Schnyder von Wartensee. «Und wenn wir die Schweiz kulturell in Stadt und Land unterteilen, dann gehört das m4music zur Stadt. Also Stereo Luchs – und nicht Trauffer.»

Das bedeutet aber nicht, dass sich das Festival nur auf Stadt oder Land fokussiert. Die beiden prominentesten Namen im Programm sind weltweit bekannt: Das französisch-kubanische Zwillingsschwestern-Duo Ibeyi hat mit seinem Mix aus traditioneller westafrikanischer Musik, Jazz, Elektro und Soul sowie einer bezaubernden Bühnenpräsenz bereits zehntausende Fans verzaubert. Ähnliches gilt für Rhye, das Bandprojekt von Michael Milosh. Mit seiner siebenköpfigen Band fabriziert der Kanadier faszinierenden, modernen Soul und verblüfft mit einer Stimme, die von Sade (!) sein könnte.



Ebenfalls auf bestem Weg zu globaler Aufmerksamkeit befindet sich Zeal & Ardor, der derzeit angesagteste Musik-Export der Schweiz. Die Gospel-Black-Metal-Combo um den Basler Manuel Gagneux betourt diesen Sommer nicht nur namhafte Festivals wie das Primavera Sound oder Wacken, vergangenen August hat sie auch bereits erste US-Konzerte absolviert. Sie bildet am m4music 2018 die Speerspitze der nationalen Künstler. «Wir wollen einen hohen Anteil an aufstrebenden Schweizer Acts im Line-Up», bekräftigt Schnyder von Wartensee eine der traditionellen Ambitionen seines Festivals. Die Fakten geben ihm auch dieses Jahr Recht: 25 der 41 auftretenden Bands stammen aus der Schweiz.

Nachhaltig fördern und testen

Die nationalen Acts bucht das m4music aber nicht nur, es unterstützt sie auch nachhaltig. Pablo Nouvelle oder Rootwords stehen nicht zum ersten Mal auf der Bühne im Schiffbau. Das gilt ebenso für die Schaffhauser Indie-Folk-Band The Gardener & The Tree. Sie eröffnet am Freitagabend das Programm der Hauptbühne, nachdem sie 2015 noch auf der Newcomer-Openair-Bühne spielte.

Jene Aussenbühne auf dem Vorplatz deckt einen weiteren Teil des selbsternannten Auftrags des m4music ab: die Schweizer Musikszene zu fördern – und zwar in jeglicher Hinsicht. Dazu Bookingchef Santosh Aerthott: «Wir schauen darauf, dass die Acts draussen musikalisch und geographisch breit ausgewählt sind und live eine gute Falle machen.»

So werden beispielsweise Mama Jefferson aus Winterthur und Catalyst aus St. Gallen die eingangs vermissten Rockgitarren ins Spiel bringen, während sich Tompaul aus Baden mit sphärischer Electronica zu beweisen versuchen werden. Den Auftritt auf der Newcomer-Bühne sieht der Booker des m4music denn gleich auch als eine Art Bewährungsprobe für die jungen Acts: «Denn da sind die meisten Club-Booker und Festival-Bookerinnen anwesend.»



Den anderen Teil seiner expliziten Nachwuchsförderung bestreitet das m4music im Rahmen der Demotape Clinic. Alljährlich spült der Wettbewerb neue unbekannte Talente in den Vordergrund und bietet ihnen zusätzlich ein Sprungbrett: «Auf die Bands, die wir an der Demotape Clinic entdeckt haben, legen wir ein besonderes Augenmerk», sagt Philipp Schnyder von Wartensee. Davon profitieren 2018 mit der Walliser Sängerin Meimuna (Demo of the Year, Pop), Dirty Sound Magnet aus Fribourg (Rock) und Zøla & The North aus Basel (Urban) drei der vier Sieger aus dem Vorjahr. Gar ohne erhöhte Aufmerksamkeit hat Rapperin KT Gorique den Sprung dennoch ins Programm geschafft.

Das diesjährige Paradebeispiel für die nachhaltige Förderung heisst allerdings Veronica Fusaro. Die Thuner Gesamtsiegerin von 2016 hat mittlerweile ihre Karriere erfolgreich lanciert. Am m4music 2018 wird sie ihre zweite EP präsentieren.



Und so fügt sich das Puzzle der anfänglich in Frage gestellten Festivalstrategie dann doch immer mehr zusammen. Die letzten Teilchen bilden den zeitgemässen Aspekt ab. Denn es ist kein Zufall, dass sich ausgerechnet am m4music so viele weibliche Acts im Programm befinden. Und dass das latente Thema der Genderfrage auch bei der zum Festival dazugehörigen Conference nachmittags aufgegriffen wird. Genau wie andere Entwicklungen dieser Tage: Was kann Virtual Reality? Und sollen Politik und Gesellschaft an Festivals eine Rolle spielen? Braucht es «Events with Attitude?»

Was die Schweiz mit Sicherheit braucht, ist eine Veranstaltung wie das m4music. Denn fest steht: Seine Haltung hat es auch 2018 nicht verloren – neumodisch, national und nachhaltig. Und das wird vom Publikum goutiert: Die Ticketverkäufe haben gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent zugelegt, die 2-Tagespässe sind auch dieses Jahr vorzeitig ausverkauft.


5 Tipps für Freitag


· Ibeyi
Was für Stimmen, was für Harmonien, was für Geschichten, was für eine Ausstrahlung: Wash my soul!
2300. Halle.

· Jacob Banks
Kraftvolles, wuchtiges Soulphänomen. Wow.
2215. Box.

· Granada
Die nächste Austropop-Entdeckung aus Österreich?
2345. Exil.

· All XS
Ein Hoch auf ganz schön moderne Indie-Pop-Facetten. Made in Switzerland.
2230. Exil.

Monumental Men
Elektronisches Drama. Monumental.
0115. Box.



5 Tipps für Samstag


· Rhye
Faszinierend. Einnehmend.
2215. Box.

· Sam Fender
Gott spielen, kann er. Mit der Empfehlung der BBC-Liste «Sound of 2018»
0100. Moods.

· Stereo Luchs
Ja, eines der besten Schweizer Alben von 2017.
0115. Box.

· Pablo Nouvelle
Zwei Mal am m4music, zwei Mal begeisternd.
2000. Halle.

· Mama Jefferson
Laut, rotzig und erfrischend.
2115. Openair-Bühne.


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